Die in 1. Lesung durch die Verwaltung eingebrachte Beschlussvorlage zur „Förderung freier Träger in 2025 – vorläufige Zuwendungen“ stieß im Jugendhilfeausschuss auf erhebliche Kritik.
Die nach dem Versand „blauer Briefe“ an freie Träger der Jugendhilfe mit Spannung erwartete Beschlussvorlage wurde durch die Verwaltung des Jugendamtes zur Beratung in den Jugendhilfeausschuss eingebracht. Etwa 120 Interessierte verfolgten die Sitzung im Publikum, während vor dem Rathaus eine Demonstration für den Erhalt der Schulsozialarbeit stattfand.
Bürgermeister Jan Donhauser erläuterte zunächst die angespannte Haushaltssituation der Landeshauptstadt und verwies auf fehlende Spielräume bei der Umsetzung der bislang vom Oberbürgermeister vorgegebenen Budgets. Jugendamtsleiterin Sylvia Lemm beklagte eine Kürzung des bisherigen Budgets um 8,7 Millionen Euro, die in Form unterschiedlicher Kürzungen und Reduzierungen in insgesamt 20 Angeboten der Jugendverbandsarbeit sowie in 40 Einrichtungen und Diensten aufgefangen werden sollen. Hiervon sind auch Angebote der Schulsozialarbeit betroffen, die insbesondere auf Grund niedrigerer Landeszuwendungen in Folge einer Änderung der Landesförderrichtlinie mit 600.000 Euro zu Buche schlagen. So schlägt die Verwaltung die Streichung bzw. Kürzung mehrerer Etats etwa für Dolmetscherkosten, Ferienmaßnahmen, Tariferhöhungen, Jugendverbandsarbeit, Baumaßnahmen oder unvorhersehbare Bedarfe mit einem Gesamtvolumen von etwa 3,5 Millionen Euro vor. Eine Reduzierung der Sachkosten in der Schulsozialarbeit um 900 Euro je Vollzeitäquivalent (VzÄ) bringt eine Reduzierung von 81.000 Euro, die Reduzierung von Personalstellen in Einrichtungen der offenen Kinder-, Jugend- und Familienarbeit und in der Schulsozialarbeit soll der Stadt Aufwendungen mit einem Volumen von 3,6 Millionen Euro ersparen. Die Präsentation der Verwaltung ist im Ratsinformationssystem abrufbar.
Mit einer umfassenden Beurteilung aus fachlicher, planerischer und juristischer Perspektive stellte Tilo Kießling die Vorschläge der Verwaltung grundsätzlich in Frage. Die Kürzungsabsichten bedeuten nicht nur einen Vertrauensbruch, sondern negieren jegliche Beschlussfassungen zur Bedarfsplanung in Dresden. „Die Landeshauptstadt Dresden als örtlicher öffentlicher Träger der Jugendhilfe ist gemäß §79 SGB VIII in der Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Jugendhilfe. Insbesondere ist sie in der Gewährleistungsverpflichtung, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen ausreichend zur Verfügung stehen“, so Kießling. Er appellierte an Verwaltung und Jugendhilfeausschuss, „dieses Kahlschlagsszenario nicht Wirklichkeit werden zu lassen“. Den vollen Wortlaut dieser Stellungnahme können Sie hier nachlesen.
In der weiteren Debatte verwies Anett Dahl auf eine fehlerhafte Berechnungsgrundlage für die Vorauszahlungen, offenbar wurde der Förderbeschluss vom Frühjahr 2023 zu Grunde gelegt, der aber spätere Förderentscheidungen etwa zu Tarifsteigerungen oder zu Sachkosten nicht enthalte. Somit steuern die freien Träger bereits mit den Vorauszahlungsbeträgen auf eine erhebliche Unterfinanzierung zu, die sie in der Regel nicht ausgleichen können. Weitere Statements von Ausschussmitgliedern bewerteten die Vorschläge der Verwaltung und kritisierten insbesondere die fragwürdige Verknüpfung des eigentlichen Anliegens – Vorauszahlungen zur Fortführung der Angebote – mit zu treffenden Entscheidungen zur künftigen Förderung der Angebotslandschaft in der Stadt. Björn Redmann bezweifelte fachliche Aussagen der Verwaltung in den Begründungen, nach denen beispielsweise ein Verzicht auf migrationsspezifische Projekte deshalb möglich sei, weil „die Integration vollzogen“ sei. Dies sei auch vor dem Hintergrund, dass auch im Bereich des Sozialamtes sechs weitere Angebote der Integration von Zugewanderten ersatzlos gestrichen werden sollen. Dies ist eine fatale Fehleinschätzung der Verwaltung. Indes warb die AfD-Fraktion auf Grund der Haushaltslage für Verständnis für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen, schließlich handele es sich hierbei um „freiwillige Aufgaben“. Dem widersprach Carsten Schöne, Jugendarbeit ist vom Gesetzgeber als Sollvorschrift deklariert und der politische Konsens in der Stadt zu den Bedarfslagen, der in den Beschlüssen zur Jugendhilfeplanung verankert sei, verpflichte die Stadt zur Bereitstellung eines bedarfsgerechten Budgets.
Mehrere Ausschussmitglieder baten um weitere Informationen für die nun folgenden Beratungen in den Unterausschüssen. So forderte Maike Limprecht eine detaillierte Darstellung der den Kürzungsvorschlägen zugrunde liegenden Kriterien sowie Begründungen für die pauschalen Kürzungen in einigen Bereichen. Matthias Dietze äußerte die Erwartung, dass Oberbürgermeister Dirk Hilbert an der abschließenden Beratung im Jugendhilfeausschuss teilnimmt. Tilo Kießling wies abschließend auf eine Stellungnahme des Rechtsamtes hin, die das Jugendamt dazu auffordert, jegliche Vorauszahlungen unter einen Rückforderungsvorbehalt zu stellen, was das Existenzrisiko zahlreicher freier Träger zusätzlich erhöhe. Nach den Beratungen der Unterausschüsse Planung und Förderung ist die Beschlussfassung zur Vorlage für den 28.11.2024 oder alternativ für eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses im Dezember vorgesehen.
Der Jugendhilfeausschuss stimmte der Vergabe von Zuschüssen für eine Erstausstattung einer Kindertageseinrichtung zu und gab mehrheitlich insgesamt 14 Beschlussvorlagen aus den Stadtbezirksbeiräten seine Zustimmung. Lediglich bei einem Vorhaben im Stadtbezirk Cotta empfahl der Ausschuss eine Ergänzung, nach der der zu sanierende Sportplatz am Jugendhaus „InterWall“ möglichst auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich sein sollte.
Ebenfalls in 1. Lesung wurde der Planungsbericht Familienbildung sowie ein Bericht zur Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung der Jugendverbandsarbeit eingebracht. Auch diese werden zunächst im Unterausschuss Planung beraten.
Die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses findet am 28.11.2024 statt.
Hinweis: Die Informationen zu Beschlüssen stehen unter dem Vorbehalt der Erlangung der Rechtskraft der Beschlüsse. Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine persönliche Wiedergabe der Ausschusssitzung, die durch meine Mitgliedschaft in diesem Gremium durchaus subjektive Betrachtungen enthalten kann und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Ich bitte um Verständnis.
Carsten Schöne
Die Tagesordnung vom 07.11.2024
1. | Kontrolle der Niederschrift vom 19. September 2024 | |
2. | Informationen / Fragestunde | |
3. | Anhörung zu Vorlagen der Stadtbezirke (14 Vorlagen) | 14 Vorlagen |
4. | Vergabe Zuschüsse für bewegliche Sachen des Anlagevermögens und für bauliche Maßnahmen im Jahr 2024 an Träger der freien Jugendhilfe von Kindertageseinrichtungen (2. Förderrunde) | V2902/24 |
5. | Planungsbericht Familienbildung nach § 16 (2) SGB VIII | V2963/24 (1. Lesung) |
6. | Kenntnisnahme Bericht „Bestandsaufnahme und Weiterentwick-lung §12 SGB VIII – Jugendverbandsarbeit und Jugendinitiativen” | A0013/24 (1. Lesung) |
7. | Berichte aus den Unterausschüssen | |
8. | Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe 2025 – Vorläufige Zuwendungen | V2960/24 (1. Lesung) |
9. | Informationen (nicht öffentlich) |