Haushaltsentwurf zerstört kurzsichtig innovative Ansätze und Projekte der sozialen Arbeit in Dresden

Offenbar habe ich das Glück, in einem sozialen Innovationsraum tätig sein zu dürfen, die Landeshauptstadt Dresden verfügt in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialarbeit über innovative und weitsichtige Ideen und Projekte, die der Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur Dresdens dienen. Doch dieser Raum ist derzeit gefährdet, wie noch nie.
Die Haushaltsplanung des Oberbürgermeisters stellt einen Großteil dieser Dinge in Frage und negiert damit das Engagement der Stadtgesellschaft für eine lebenswerte Stadt, die von verbesserter sozialer Teilhabe, von einer kulturellen und Bildungsvielfalt geprägt ist. Der Text versucht einen Teil dieser innovativen Ansätze in den Fokus zu rücken und durchaus auch einmal mit Stolz einen Blick auf die auf den Weg gebrachten oder bereits umgesetzten Ideen zu richten und gleichzeitig für Aufmerksamkeit für die gefährdeten Strukturen zu sorgen.
Die Landeshauptstadt verfügt über ein detailliertes Jugendhilfeplanungskonzept, das seit Jahren angewandt wird und das im Einklang mit kontinuierlicher, partizipativer Fortschreibung eine wesentliche Grundlage für die politischen Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe bildet.
Dresden setzt bereits seit mehreren Jahren ein Konzept zur inklusiven Kindertagesbetreuung um, 2027 sollen alle Einrichtungen inklusive Konzepte umsetzen. Trägerübergreifend und partizipativ wird dieser Prozess umgesetzt, alle Träger beteiligen sich an der Umsetzung, die u. a. von Tagungen und heilpädagogischen Zusatzqualifizierungsangeboten begleitet wird.
Dresden wirkt neben vier weiteren Kommunen an einem Bundesmodellprojekt zur Einführung der inklusiven Jugendhilfe mit, das bereits vor Inkrafttreten der entsprechenden Gesetzesnovelle des SGB VIII einen praktischen Erfahrungsraum schaffen soll. Auch wenn die Novellierung durch den Bund durch das Scheitern der Bundesregierung verschoben wird oder man gar gänzlich darauf verzichtet, werden die beteiligten Institutionen aus Eingliederungshilfe und Jugendhilfe einen neuen und anderen Blick auf die Erfordernisse einer inklusiven Betreuung von Kindern und Jugendlichen erarbeitet haben, und dies kann für die Betroffenen nur hilfreich sein.
Mittels wissenschaftlicher Begleitung und umfassender Partizipation von jungen Menschen und Fachkräften konnte in den letzten Monaten ein Konzept für die Umsetzung des § 4a SGB VIII entwickelt werden, das die Selbstvertretung von Kindern, Jugendlichen und Eltern beschreibt und ermöglicht. Bislang ist mir keine Kommune bekannt, die über ein solches Konzept verfügt.
Die Stadt verfügt über ein bundesweit beispielhaftes Angebot der ombudschaftlichen Beratung in der Jugendhilfe und über eine hervorragende Arbeit mit Careleavern, also mit jungen Menschen die (teilweise) in stationären Jugendhilfeeinrichtungen aufgewachsen sind. Die Landeshauptstadt hat gemeinsam mit dem Dresdner Universitätsklinikum ein Curriculum erarbeitet, das der Stärkung der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendhilfe sowie dem multiprofessionellen Umgang mit sog. „Systemsprengern“ dient. Dies soll auch „Drehtüreffekte“, Vorurteile und Schuldzuweisungen zwischen beiden Professionen abbauen, die Schulungen werden kostenfrei für alle Träger im Bereich der Erziehungshilfen angeboten.
Auch in der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit, in der Jugendverbandsarbeit und der Jugendsozial- bzw. Schulsozialarbeit haben Verwaltung des Jugendamtes und der Jugendhilfeausschuss immer wieder Modelle entwickelt, die einer Steigerung von Qualität und Wirksamkeit dienen. So hat die Bereitstellung von Budgets für Dolmetscherkosten oder eines „flexiblen Stundenpools“ für Einzelfallbegleitung im Bereich der offenen Jugendarbeit eine gute Unterstützungsstruktur gebracht, die wohl auch der Vermeidung von kostenintensive Erziehungshilfen dienlich waren. Größere Jugendverbände wurden durch eine neue Pauschalförderung in die Lage versetzt, auch über personelle Ressourcen für ihre Arbeit verfügen zu können.
Vergleichbare innovative Angebote finden sich auch in anderen Leistungsfeldern, wie beispielsweise in der Beratung und Begleitung von älteren Menschen mit Demenzerkrankungen die in den „GerDa“-Beratungsstellen kompetente gerontopsychiatrische Unterstützung erhalten. Auch das Streetworkprojekt für erwachsene wohnungslose und / oder suchtbelastete Menschen gehört zu den Angeboten, die zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben sind, aber dennoch mit großer Wirksamkeit die soziale Teilhabe von Menschen befördern und ermöglichen. Ein „Mutter-Kind-Büro“, das die Berufstätigkeit von Frauen unterstützt, aber auch eine Anlaufstelle für Alleinerziehende oder vielfältige Angebote für Menschen mit Migrationsgeschichte leisten wichtige gesellschaftliche Integrationsarbeit.
Die Landeshauptstadt ist also durchaus ein Ort, an dem soziale Innovationen eine Heimat haben. Das Zusammenspiel aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis führt zu einer Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur, was sich auch darin zeigt, dass mehr als 30 Prozent der Beschlüsse des örtlichen Jugendhilfeausschusses durch Anträge der Ausschussmitglieder zustande kommen, darin noch nicht eingerechnet sind Änderungsanträge zu den Vorlagen der Verwaltung.
Mit dem Entwurf des städtischen Haushaltes werden nicht nur bestehende Angebote zerstört oder bis zur Grenze der Unwirksamkeit gekürzt, sondern auch das Engagement vieler Fachkräfte oder ehrenamtlich in Vereinen Tätiger wird mit Füßen getreten. Dies vermittelt den Eindruck, dass der Verwaltung dieses Engagement für eine lebenswerte Stadt nicht sonderlich viel Wert ist. Die Fortführung sozialer Angebote wäre eine wirkliche Anerkennung von Engagement, die durch keinen noch so schönen „Ehrenamtspreis“ aufgewogen werden kann.
Nein, der Haushaltsentwurf ist kein „Sparvorschlag“, sondern ein Kürzungshammer, denn „sparen“ sollte man in guten Zeiten, in denen man in der Lage ist, etwas für die Zukunft zurückzulegen. Ich bin überzeugt, dass viele Stadträt*innen den Vorschlag des Oberbürgermeisters nicht hinnehmen und auf Korrekturen hinwirken werden. Und ich bin all jenen dankbar, die sich aktiv in Initiativen einbringen, die durch unterschiedliche Aktionen und Demonstrationen auf die Gefahr für den sozialen Frieden in unserer Stadt aufmerksam machen.
Alle Interessierten, Engagierten und Betroffenen sollten sich zur Teilnahme an der Demonstration am 21.11.2024 vor dem Rathaus eingeladen fühlen, an diesem Tag wird der Oberbürgermeister den Haushaltsentwurf in den Stadtrat einbringen.
Carsten Schöne