Als Kristina Schröder 2009 von der Bundeskanzlerin auf den Chefsessel im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gehievt wurde, war sie thematisch im eigenen Lebenslauf angekommen. Die Jugend hatte die damals 32jährige Soziologin und promovierte Politikwissenschaftlerin bereits hinter sich, eine Frau war sie selbst, Familiengründung stand noch auf der persönlichen Agenda und Senioren kannte sie aus der Nachbarschaft.
Dass sie sich gleich kurz nach dem Eintritt ins Ministeramt ausgerechnet mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer anlegen musste, war vielleicht ungeschickt, aber konsequent. Denn selbst wenn man ihr die Entwicklung eines “neuen Frauenbildes” in der Gesellschaft unterstellen wollte, konnte sie die Herzen der Frauen nicht wirklich gewinnen. Vielleicht konnte sie doch erst am Ende ihrer Berg- und Talfahrt durch die Familienpolitik einige Sympathien gewinnen, als nämlich sichtbar wurde, dass eigene Erfahrungen und politische Sonntagsreden eher selten aus derselben Quelle gespeist werden. Zählte sie eingangs ihrer Karriere als Ministerin noch reihenweise Arbeitgeber an, wenn die keine “familienfreundlichen” Beschäftigungsmodelle vorhielten, so musste sie später doch feststellen, dass ihre eigene frühe Rückkehr 10 Monate nach der Geburt ihrer Tochter an den Arbeitsplatz in Berlin nicht die ideale Lösung gewesen sei. Ihre plötzliche Kehrtwende hin zur Ermunterung von Frauen, nach der Geburt doch möglichst lange zu Hause zu bleiben, hatte ja zwischenzeitlich mit der so genannten “Herdprämie” auch eine finanzielle Basis gefunden.
Ihr Konzept der Unentschiedenheit erhielt spätestens bei der Debatte um eine Frauenquote in deutschen Unternehmen einen Namen: Die “Flexi-Quote”. “Flexi” war sie immer, ob bei der Interpretation von Forschungsergebnissen im Zuge der Evaluation der deutschen Familienpolitik, bei ihren familienpolitischen Positionen oder konsequenterweise auch bei ihrer Entscheidung zwischen Job und Familie. “Jugendpolitik” – also eine Politik, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen aufgreift, hat de facto nicht stattgefunden. Der in der Schröder-Amtszeit vorgelegte 14. Jugendbericht offenbart, dass das Bundesjugendministerium die Jugend schlicht und ergreifen vergessen hat. Junge Menschen spielen allenfalls als biologisches Anhängsel ihrer Eltern eine Rolle, die von Schröder versprochene Initiative zur “eigenständigen Jugendpolitik” verläuft bisweilen im Sande. Für die so genannte “Demokratieklausel” als Bedingung für die Inanspruchnahme von Fördermitteln wurde viel Energie aufgewendet, die jedoch verpuffte, als das Dresdner Verwaltungsgericht 2012 die Rechtswidrigkeit der Klausel feststellte. Um politische Erfolge für die junge Zielgruppe zu entdecken, muss man schon in andere Ressorts schauen, dort entdeckt man zumindest den “Führerschein mit 17”.
Kristina Schröder wird der Öffentlichkeit zumindest als familienpolitischer Unterhaltungsfaktor sehr fehlen. Ihrer Nachfolge im Bundesministerium wünsche ich Weitblick und Erfolg, wobei der Erfolg am Nutzen für die Menschen und nicht an der Selbsteinschätzung der MinisterIn gemessen werden sollte.
Kristina Schröder hat nunmehr Gelegenheit, sich mehr um ihre eigene Familie zu kümmern und kann so in aller Ruhe die Erfolge ihrer Arbeit in Praxis testen.
Carsten Schöne
Veröffentlicht in “CORAX” – Magazin für Kinder- und Jugendarbeit, Ausgabe 01-2014