Ausschussmitglieder befürchten erhebliche Einschnitte in die jugendhilfliche Infrastruktur

Der Jugendhilfeausschuss hat sich gestern in erster Lesung mit der Haushaltsplanung für die Jahre 2021 und 2022 befasst. Begleitet von einer Präsentation stellten die Amtsleiterinnen Sabine Bibas und Sylvia Lemm jeweils die Planungen für den Bereich der Kindertagesbetreuung bzw. für die Jugendhilfe vor. Dabei ist festzustellen, dass die bisherige Planung nicht dazu geeignet ist, den Bestand der jugendhilflichen Infrastruktur zu sichern, da erhebliche Einschnitte in die bisherige Finanzausstattung vorgenommen werden sollen.

Die Betreibung der Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege ist hier nicht betroffen, für diese kommunale Pflichtaufgabe ist die Finanzierung gesichert. Jedoch wären erhebliche Einschränkungen in den begleitenden Prozessen und Projekten im Bereich der Kindertagesbetreuung vorzunehmen, die sich insgesamt jedoch negativ auf die Qualität der Betreuung auswirken würden. Hierzu zählen u. a. die Umsetzung des Inklusionsprozesses „Eine Kita für alle“, die Fortführung von Projekten wie „Gemeinsam bildet –Schule u. Hort im Dialog“ oder die Elternberatungsstelle „Kita-Rat“. Auch die bisher zur Verfügung stehenden Mittel für den Personalpool und für pädagogischen Mehrbedarf sind zur Streichung vorgesehen. Die Gesamtfinanzierung unterstellt derzeit noch eine Erhöhung der Elternbeiträge, kommt diese nicht zustande fehlen weitere 11 Millionen Euro. Im Investitionshaushalt des Eigenbetriebes Kindertageseinrichtungen erfordern den Verzicht oder die Verschiebung notwendiger Bauvorhaben. So enthielt die Planung bislang die Errichtung einer neuen Einrichtung als Auslagerungsstandort für zu sanierende Objekte, steht dieser nicht zur Verfügung führt dies zu erheblichen Verzögerungen in der Sanierung und ggf. auch zum Wegfall von Bundesmitteln.

Die Haushaltsplanung für das Jugendamt erscheint im Bereich der Förderung von Angeboten der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit besonders prekär, sie greift in den derzeitigen Bestand ein und würde Schließungen von Angeboten nach sich ziehen. Nur zur Sicherung des derzeitigen Bestandes an Angeboten und Einrichtungen wäre eine zusätzliche Finanzausstattung in Höhe von 1,7 Mio Euro zzgl. geschätzte 4,7 Mio Euro für Tarifanpassungen erforderlich. Zu Umsetzung aller bisherigen Beschlüsse von Stadtrat und Jugendhilfeausschuss, die eine Weiterentwicklung der Angebotsstrukturen vorsehen, ergibt sich ein Mehrbedarf in Höhe von 5,3 Mio Euro gegenüber den Planungswerten für die beiden kommenden Jahre.
Auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung führt die Planung zu einem Haushaltsrisiko in Höhe von 10 Mio Euro, die derzeit als Differenz zwischen Bedarfsanmeldung des Jugendamtes und der vorliegenden Planung bestehen.

In der Debatte warb Carsten Schöne für eine inhaltliche Betrachtung im Rahmen der Finanzplanung. Unter Bezugnahme auf die „COSPY-Studie“ zur psychischen Gesundheit von Kindern in der Corona-Pandemie des Uniklinikums Hamburg wies Schöne auf die besonderen Herausforderungen und Problemlagen junger Menschen hin, die es in der Planung künftiger Strukturen zu beachten gelte. In der Studie beklagten junge Menschen die fehlende Tagesstruktur durch Schließung von Schulen und Freizeiteinrichtungen, die fehlenden Kontakte in Freundeskreis und sozialem Umfeld. Man dürfe es nicht riskieren, durch Kürzung von Mitteln in der Jugendarbeit Kindern und Jugendlichen genau jenes Stützsystem zu nehmen, das ihnen in dieser schwierigen gesellschaftlichen Situation noch Halt und Unterstützung gebe, so Schöne. Dies gilt gleichermaßen für die Sonderprogramme im Kita-Bereich.
Ebenso wie Anja Stephan kritisierte er die Intransparenz der Haushaltsdokumente, so sind die Teilprodukte nicht einsehbar, was eine Gesamtbeurteilung der vorliegenden Planung erschwere. Anja Stephan zeigte sich mit Blick auf die teilweise widersprüchlichen Zahlen irritiert und mahnte eine zuverlässige Kalkulation etwa der Auswirkungen des Tarifabschlusses an.
Tilo Kießling mahnte eine Berücksichtigung der Ergebnisse der Prozesse der Jugendhilfeplanung an, diese spiegelten sich nicht im Haushaltsentwurf wider. Matthias Dietze bat um Vorbereitung einer detaillierten Darstellung finanzieller Erfordernisse zur Sicherung des derzeitigen Bestandes bzw. zur notwendigen Weiterentwicklung für die Beratungen in den Unterausschüssen. Sven Marschel wiederum bat um Erläuterungen möglicher inhaltlicher Auswirkungen der künftigen Finanzlage.

In der Informations- und Fragerunde unterrichtete die kommissarische Jugendamtsleiterin Sylvia Lemm über eine vorübergehende Aussetzung der Kostenheranziehung junger Menschen im Bereich der stationären Jugendhilfe. Anlass sei ein schwebendes Verfahren am Bundesverwaltungsgericht, dessen Ausgang man zur Gestaltung künftiger Praxis berücksichtigen möchte. Das Jugendamt befindet sich hierzu auch in einem engen Austausch mit dem Kinder- und Jugendhilferechtsverein Dresden, der die teilweise bedenkliche Praxis der Kostenheranziehung in den Jugendämtern seit geraumer Zeit verfolgt. Wie Lemm ausführte, will man stärker als bisher die konkrete Situation der Betroffenen in den Blick nehmen und ihnen möglichst finanzielle Barrieren auf ihrem Weg in die Selbständigkeit nach Auszug aus der stationären Jugendhilfe ersparen; die Amtsleiterin sprach von einem „Paradigmenwechsel“.
Anja Stephan informierte zu einem von ihr eingereichten Antrag, der den Unterausschuss Förderung zur Beratung mit der Neufassung des Förderverfahrens beauftragen soll.
Nach einem Bericht von Dorothée Marth erfolgt die Behandlung des Antrages des Jugendhilfeausschusses zur Anpassung der Stadtbezirksförderrichtlinie ohne eine Einbringung oder inhaltliche Begleitung aus der Jugendhilfe. Es falle den Stadtbezirksbeiräten schwer, das Anliegen des Jugendhilfeausschusses einzuordnen und dies wiederum führe zur Ablehnung der Vorlage. In der Vorlage geht es um eine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Stadtbezirksbeiräten und dem Jugendhilfeausschuss bei der Förderung jugendhilfeplanerisch relevanter Projekte. Tilo Kießling bezweifelt die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, da keine angemessene Einbringung der Vorlage erfolgt. Carsten Schöne betonte die Notwendigkeit der Anpassung der Richtlinie, sonst riskiere man durch unsaubere Verfahren Rügen des Rechnungsprüfungsamtes. Die Verwaltung versprach eine Prüfung und Klärung des Verfahrens.

Auf Anfrage Anett Dahls zur Finanzierung der so genannten „Corona-Prämie“, die im neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst geregelt ist, erklärte Sylvia Lemm, dass diese Einmalzahlung aus den Zuwendungen des laufenden Jahres finanziert werden kann, eine separate Beantragung ist nicht erforderlich. Träger, denen keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung stehen, sollen sich an das Jugendamt wenden.
Auf Anfrage äußerte sich die Jugendamtsleiterin auch zur Arbeitsfähigkeit der Abteilung Kinder-, Jugend- und Familienförderung, in der ab Dezember auch die Abteilungsleitung wieder besetzt sein wird. Die Erreichbarkeit der Beschäftigten in Home-office-Phasen sei nur über E-Mail gegeben, eine telefonische Erreichbarkeit ist nicht möglich. Eine Teilnahme städtischer Angestellter an Beratungen und Arbeitsgemeinschaften im Rahmen von Videokonferenzen sei nur möglich, wenn eine externe Einladung an die Mitarbeitenden gerichtet wird, die Verwaltung selbst kann aus technischen Gründen nicht selbst Videokonferenzen anbieten.

Der Jugendhilfeausschuss gab einer Vorlage zur anteiligen Finanzierung des Mehrgenerationenhauses „riesa efau“ durch das Sozialamt seine Zustimmung, auch der Aufnahme eines Hortes in den Kita-Bedarfsplan gab er seine Zustimmung. Eine Vorlage zur Förderung von baulichen Maßnahmen und Anschaffungen in Kindertageseinrichtungen wurde bei vier Enthaltungen ebenfalls beschlossen. Alle in dieser Vorlage enthaltenen Förderanträge werden somit auf Grund der bestehenden Haushaltssperre abgelehnt, es handelt sich dabei jedoch ausschließlich um Maßnahmen, die nicht betriebserlaubnisrelevant sind.

Die Verwaltung brachte weitere Beschlussvorlagen in 1. Lesung in den Jugendhilfeausschuss ein, diese werden zunächst in den Unterausschüssen beraten und kommen voraussichtlich am 03.12.2020 erneut zur Abstimmung in den Ausschuss. Hierzu gehört der Planungsbericht für das Leistungsfeld „Förderung der Erziehung in der Familie“ und eine Vorlage zur Umstellung der Sachkostenfinanzierung im Bereich der Schulsozialarbeit auf eine Pauschale (10% Verwaltungskosten zzgl. 5% Sachkosten). Außerdem wurde eine Vorlage der Verwaltung eingebracht, die zur Sicherung der Angebote der Jugendarbeit Vorauszahlungen an die freien Träger ab dem Jahreswechsel bis zur Beschlussfassung zur Förderung regelt. Mit einer weiteren Vorlage soll der 1. Dresdner Betreuungsverein mit der Gewinnung und Beratung ehrenamtlicher Einzelvormunde beauftragt werden.

Die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses findet am 03.12.2020 statt, hier erfolgt u. a. voraussichtlich die abschließende Beratung zur Haushaltsplanung.

Hinweis: Die Informationen zu Beschlüssen stehen unter dem Vorbehalt der Erlangung der Rechtskraft der Beschlüsse. Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine persönliche Wiedergabe der Ausschusssitzung, die durch meine Mitgliedschaft in diesem Gremium durchaus subjektive Betrachtungen enthalten kann und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Ich bitte um Verständnis.

Redaktion: Carsten Schöne


Die Tagesordnung im Überblick:

Die Tagesordnung wurde nachträglich um die Punkte 12 und 13 ergänzt.

  1. Kontrolle der Niederschrift vom 10. September 2020
  2. Informationen/Fragestunde
  3. e-Petition „Unser Eltern-Kind-Treff soll bleiben!” Anhörung der Petenten, Träger und Jugendamt (P0028/20)
  4. Haushaltssatzung 2021/2022 und Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe 2021/2022, hier: Ergebnis- und Finanzhaushalt und Stellenplan (V0561/20)
  5. Mehrgenerationenhaus des Trägers riesa efau Kultur Forum Dresden (V0506/20)
  6. Aufnahme der Kindertageseinrichtung, An der Christuskirche 9 in 01219 Dresden, in den Bedarfsplan Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege 2020/2021 und Betreibung durch den Träger Verein für interkulturelle Waldorfpädagogik e. V. (V0489/20)
  7. Vergabe Zuschüsse für bewegliche Sachen des Anlagevermögens und für bauliche Maßnahmen im Jahr 2020 an Träger der freien Jugendhilfe von Kindertageseinrichtungen – II. Förderrunde (V0482/20)
  8. Planungsbericht für das Leistungsfeld Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21 SGB VIII) (V0552/20, 1. Lesung)
  9. Sachkostenpauschale der Angebote der Schulsozialarbeit (V0555/20, 1. Lesung)
  10. Berichte aus den Unterausschüssen
  11. Informationen (nicht öffentlich)
  12. Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe 2021 – Vorläufige Zuwendungen (V0623/20)
  13. Vollzug des Beschlusses V1569/17, Punkt 3. a) – Aufgabenübertra-gung zur Gewinnung und Beratung von ehrenamtlichen Einzelvor-munden (V0627/20)

Die Dokumente zur Sitzung sind im Ratsinfosystem der Stadt Dresden zu finden.