Mit dem Beschluss des Stadtrates zur Haushaltsplanung für 2021 und 2022 wurde die Verwaltung zur Ermittlung von Einsparungspotenzialen beauftragt, die Vorschläge treffen den Geschäftsbereich Bildung und Jugend in besonderer Weise, von den insgesamt 77 Millionen Euro Einsparungen sollen 50 Millionen auf diesen Bereich entfallen. Dies betrifft vor allem notwendige Investitionen in Schulen und Kindertageseinrichtungen. In seinem Beschluss stellt der Jugendhilfeausschuss fest, dass die massiven Einsparungen im investiven Bereich bereits geplante Verbesserungen in Kinder- und Jugendeinrichtungen deutlich verzögert umgesetzt werden können und dass die vorgesehenen Kürzungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung die Deckung bereits erkennbarer Bedarfe gefährdet.
Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt dem Stadtrat, jegliche Rückfluss- oder Restmittel aus dem Bereich der Kindertagesbetreuung für investive Maßnahmen in diesem Bereich einzusetzen. Außerdem sollen sich die laufenden Ausgaben für Kindertagesbetreuung an der tatsächlichen Zahl betreuter Kinder orientieren und nicht, wie in der Vorlage vorgesehen, auf der Basis einer Bevölkerungsprognose gekürzt werden. Die Debatte zur Vorlage verdeutlichte die unterschiedlichen Perspektiven und Herausforderungen, so sprachen sich Sven Marschel und Carsten Schöne für eine Ablehnung der Beschlussvorlage aus, weil sie den Erhalt der sozialen Infrastruktur gefährdet. Einige Fraktionsvertreter*innen warben um Verständnis für die Vorlage, die zur Sicherung eines tragfähigen Haushaltes in einer besonderen Situation notwendig sei. Gleichsam warnten sie vor zu großen Einschnitten in Schule, Jugendhilfe und Kindertagesbetreuung. Man sei in den weiteren Beratungen des Stadtrates um einen tragfähigen Kompromiss bemüht, so Tilo Kießling.
Ein Fall von nächtlicher Abschiebung einer Jugendlichen aus einer Dresdner Jugendhilfeeinrichtung war der Auslöser für eine erneute Befassung des Jugendhilfeausschusses mit Fragen des Kindeswohls bei Abschiebungen ausreisepflichtiger Minderjähriger. Im konkreten Fall versuchte die Polizei nachts um 3.00 Uhr einen Abschiebebescheid zu vollstrecken und stieß dabei auf Widerstand der pädagogischen Fachkraft in der Einrichtung, die eine Gefährdung des Kindeswohls bei der damals 15jährigen Jugendlichen sah. Jörg Eichler vom Sächsischen Flüchtlingsrat stellte in der Ausschusssitzung den Vorgang detailliert dar und kritisierte die ausführenden Behörden scharf und warb für umsichtigeres Agieren, das die Belange und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt. Der als Gast geladene Vizepräsident der Landesdirektion Sachsen, Walter Bürkel, schilderte den Vorgang aus Sicht seiner Behörde, die mit einem klaren Auftrag des Bundesinnenministeriums ausgestattet sei und über keinerlei Handlungsspielräume verfüge. Die kommissarische Jugendamtsleiterin Sylvia Lemm betonte die auf die Belange junger Menschen ausgerichtete Arbeit der Jugendhilfe und räumte einen deutlichen Widerspruch zwischen den Aufgaben der Ausländerbehörden und der Jugendhilfe ein. Sie widersprach Ausführungen der Landesdirektion, die der Jugendhilfe die Verantwortung für die Vorbereitung auf die drohende Abschiebung zuzuordnen versuchte. Eine von der zuständigen Landesdirektion eingeholte Stellungnahme zum Vorgang warf der Jugendhilfe ein Versagen durch fehlende Vorbereitung der Jugendlichen auf die drohende Abschiebung vor. Carsten Schöne wies die schriftlich geäußerten Vorwürfe der Landesdirektion gegen die Jugendhilfe zurück und erinnerte an den gesetzlichen Auftrag der Jugendhilfe zur Förderung der Entwicklung junger Menschen. Jugendhilfe agiere anwaltschaftlich im Interesse von Kindern und Jugendlichen, sie kann somit kein Erfüllungsgehilfe bei der Vollziehung von Abschiebungen sein, da diese die Perspektive junger Menschen in aller Regel nicht verbessern werden.
In der Informations- und Fragerunde nahm die Verwaltung auf die neuen Regelungen verschiedener Verordnungen zur Corona-Pandemie Bezug. So wurden die leicht verwirrenden Regelungen zur Testung von Beschäftigten, Nutzenden und Besuchenden von Jugendhilfe- und Kindertageseinrichtungen eingeordnet. Während Arbeitgebende grundsätzlich verpflichtet sind, ihren Beschäftigten ein Testangebot zu unterbreiten, gelten die Testvorschriften entsprechend einer nachträglichen Präzisierung der Landesregierung ausschließlich für stationäre Jugendhilfeeinrichtungen. Die für die Testung in den stationären Jugendhilfeeinrichtungen entstehenden Kosten werden auf der Basis der Bundestestverordnung durch das Jugendamt übernommen, hierfür ist Nachweisführung und Abrechnung gegenüber dem Jugendamt erforderlich. Das Jugendamt hat alle Informationen in seinen „Corona-FAQ“ auf dem Internetportal der Landeshauptstadt veröffentlicht (https://jugendinfoservice.dresden.de/de/fachkraefteportal/faq-corona.php), das Amt für Kindertagesbetreuung informierte die Träger der Einrichtungen per E-Mail über die dort geltenden Regelungen.
Carsten Schöne bat die Verwaltung um eine Darstellung aller redaktionellen und rechtlichen Anpassungen in den Musterverträgen nach § 77 SGB VIII und kritisierte das Agieren der Verwaltung, die in der Vergangenheit Änderungen in den Vertragswerken vorgenommen hat, ohne jedoch den Jugendhilfeausschuss hierüber zu informieren. Der den Mustervereinbarungen zu Grunde liegende Beschluss des Jugendhilfeausschusses aus dem Jahr 2009 verpflichtet die Verwaltung, den Ausschuss über Änderungen zu informieren. Der Aussage Sylvia Lemms, dass der Beschluss den Zeitpunkt der Information an den Ausschuss nicht definiert, wies Schöne zurück. Eine solche Informationspflicht mache nur Sinn, wenn die geplanten Änderungen vor deren Anwendung bekannt würden. Tilo Kießling bat um eine Darstellung des Umfangs von Schulbegleitungen in Dresden, der offenbar deutlich zugenommen hat. Die Verwaltung soll auch über die Gründe und Zuweisungswege für Schulbegleitung informieren.
Der Jugendhilfeausschuss gab zwei Planungsberichten für die Stadträume Altstadt / Johannstadt und Neustadt mit Änderungen seine Zustimmung. Die Änderungen dienten einer Aktualisierung und / oder Präzisierung von Planungsaussagen in den Dokumenten und gehen zum Teil auf die entsprechenden Stellungnahmen der Stadtteilrunden zurück, die der Jugendhilfeausschuss in die Beratung der Planungsberichte einbezieht. Auch eine Vorlage zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Jugendhilfeplanung fand in geänderter Form die Zustimmung des Gremiums. Das als „Konzept“ deklarierte Papier wurde auf einen „Maßnahmeplan“ herabgestuft und die Verwaltung zur Entwicklung eines Konzeptes beauftragt. Der Unterausschuss Förderung wurde beauftragt, sich mit dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zur Novellierung des Förderverfahrens zu befassen. Ziel sollte eine Beschlussvorlage sein, die aufbauend auf die Erkenntnisse und Empfehlungen der Arbeitsgruppe ein neues Förderverfahren beinhaltet.
Der Jugendhilfeausschuss beschloss eine Vorlage zum „Konzept kulturelle Bildung in Dresden“ mit einigen Änderungen. So empfahl er auf die Schaffung eines im Konzept vorgesehenen Jugendgremiums zu verzichten und statt dessen auf bestehende Strukturen und Möglichkeiten zurückzugreifen, die sich aus dem vom Stadtrat beschlossenen Beteiligungskonzept ergeben.
Zwei Anträge von Ausschussmitgliedern zur Förderung der Schulsozialarbeit im Rahmen des so genannten „Stressszenarios“ sowie zur Weiterentwicklung von Dresdner Kitas zu „Eltern-Kind-Zentren“ wurden vertagt, über die Anträge soll im Zusammenhang mit der Förderung für den aktuellen Doppelhaushalt entschieden werden. Für einen Antrag der AfD-Fraktion zur Ansiedlung kultureller Institutionen im Festspielhaus Hellerau erklärte der Jugendhilfeausschuss mehrheitlich Unzuständigkeit, da der Antrag keinerlei jugendhilferelevante Themen berührt. Eine Petition zum Erhalt eines Eltern-Kind-Treffs in Plauen nahm der Ausschuss zur Kenntnis. Auf Grund eines laufenden Gerichtsverfahrens sei eine Befassung in der Sache nicht möglich, der Empfehlung des Petitionsausschusses zur Durchführung einer Anhörung der Betroffenen ist der Jugendhilfeausschuss nachgekommen.
In 1. Lesung wurde von der Verwaltung eine Vorlage zur Erstattung von Kita-Elternbeiträgen für die Dauer der pandemiebedingten Schließzeiten eingebracht. Nach Beratung im Unterausschuss Kita ist die Beschlussfassung in der nächsten Sitzung vorgesehen.
Ebenfalls in 1. Lesung brachte Matthias Dietze einen Antrag der CDU-Fraktion ein, der „bedarfsgerechte Öffnungszeiten in Jugendhäusern“ fordert. Carsten Schöne bemängelte die dem Antrag zu Grunde liegenden Daten zu den Öffnungszeiten, diese gäben die tatsächlichen Angebots- und Nutzungszeiten nur eingeschränkt wieder und berücksichtigen die derzeitige Situation nicht. Schöne bat die Verwaltung um Nachbesserung der Datengrundlage, die sich gegenwärtig lediglich auf eine Internetrecherche des Jugendamtes stützt. Diese Daten sollen sowohl Zielgruppen, konzeptionelle Besonderheiten sowie einen Abgleich mit den Personalressourcen enthalten, nur so sei eine solide Befassung mit dem Thema möglich, so Schöne.
Die nächste reguläre Sitzung findet am 01.04.2021 statt, dort wird u. a. die Vorlage zur Förderung von Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit eingebracht, mit der Beschlussfassung hierzu wird in der Sitzung am 29.04.2021 gerechnet.
Hinweis: Die Informationen zu Beschlüssen stehen unter dem Vorbehalt der Erlangung der Rechtskraft der Beschlüsse. Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine persönliche Wiedergabe der Ausschusssitzung, die durch meine Mitgliedschaft in diesem Gremium durchaus subjektive Betrachtungen enthalten kann und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Ich bitte um Verständnis.
Redaktion: Carsten Schöne
Die Tagesordnung im Überblick:
- Kontrolle der Niederschrift vom 3. Dezember 2021 und 21. Dezember 2021
- Informationen/Fragestunde
- Berichterstattung Kindeswohl bei Abschiebung
- e-Petition „Unser Eltern-Kind-Treff soll bleiben!” P0028/20
- Umsetzung der Beschlusspunkte 6 und 7 des Beschlusses V0561/20 zur Haushaltssatzung 2021/2022 – konsumtive und investive Kürzungen V0776/21
- Vorbehaltliche Befreiung von Elternbeitragszahlungen wegen der Schließung von Angeboten der Kindertagesbetreuung aufgrund Sächsischer Corona-Schutz-Verordnungen beginnend ab 14. Dezember 2020 V0768/21 (1. Lesung)
- Konzept Kulturelle Bildung in Dresden 2020 V0654/20
- Planungsrahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Dresden – Spezifischer Teil (Teil IV), hier: Planungsbericht Stadtraum 2 V0381/20
- Planungsrahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Dresden – Spezifischer Teil (Teil IV), hier: Planungsbericht Stadtraum 3 V0383/20
- Konzept zur Beteiligung von Adressatinnen und Adressaten an der Jugendhilfeplanung im Leistungsfeld „Hilfe zur Erziehung, Einglie-derungshilfen, Hilfe für junge Volljährige“ gemäß §§ 27 bis 41 SGB VIII V0407/20
- Gesamtkonzept zur Ansiedelung kultureller Institutionen für das Festspielhaus Hellerau A0126/20
- Beauftragung des Unterausschusses Förderung bzgl. Abschlussbericht Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Förderverfahrens A0141/20
- Weiterentwicklung von Dresdner Kindertageseinrichtungen zu “El-tern-Kind-Zentren” (EKIZ) und Verstetigung des im Rahmen des gleichnamigen Landesmodellprogramms in der Landeshauptstadt Dresden entstandenen Projektes “LOUISE ” A0174/21
- Fortführung der Förderung von Angeboten der Schulsozialarbeit in 2021 im Rahmen des “Stressszenarios” A0175/21
- Bedarfsgerechte Öffnungszeiten der Jugendhäuser A0183/21 (1. Lesung)
- Berichte aus den Unterausschüssen
- Informationen (nicht öffentlich)
Die Dokumente zur Sitzung sind im Ratsinfosystem der Stadt Dresden zu finden.