Anlässlich des „Internationen Tages des Ehrenamtes“ werden allerorten wieder besonders engagierte Personen gewürdigt oder gar ausgezeichnet. Mehr als 43 % der Einwohner*innen ab 14 Jahre engagieren sich freiwillig und unentgeltlich und unterstützen auf diese Weise vielfältige gesellschaftliche Bereiche. Ohne ehrenamtliches Engagement könnten zahlreiche gesellschaftliche Aufgaben gar nicht gelöst werden, obwohl diese teilweise als unverzichtbar gelten. Hierzu zählen beispielsweise der Katastrophenschutz oder die Sozialarbeit.

Dass bürgerschaftliches Engagement ausgesprochen nützlich ist, steht völlig außer Frage. „Nutznießer“ sind nicht nur die Bürger*innen, Vereine und Einrichtungen, sondern natürlich auch die freiwillig Engagierten selbst, die durch ihr Ehrenamt Erfahrungen, Selbstwertgefühl und Anerkennung erhalten. Hier lohnt es sich, den Blick auf weitere „Nutznießer“ des Ehrenamtes zu richten: die öffentliche Hand.

In den Bereichen Kultur, Soziales oder Bildung stützt sich die Gesamtfinanzierung entsprechender Angebote und Einrichtungen auf die Erbringung von so genannten Eigenanteilen des geförderten Angebotes, die wahlweise in Form von baren Eigenmitteln oder in Form von Eigenleistungen erbracht werden sollen. Dieses Prinzip macht selbst vor Einrichtungen und Angeboten nicht Halt, zu deren Vorhaltung Länder und / oder Kommunen gesetzlich verpflichtet sind. Der Umfang der zu erbringenden Eigenanteile wächst beständig, vielen gemeinnützigen Organisationen fällt es zunehmend schwerer, dies Beteiligung an der Gesamtfinanzierung aufzubringen.

Mit Blick auf die individuellen konzeptionellen und praktischen Ausgestaltungsmöglichkeiten durch den jeweiligen Träger sind Eigenanteile ein berechtigter Preis. Jedoch gibt es zahlreiche Arbeitsfelder, in denen die Erwirtschaftung von Eigenmitteln (Geld) nicht oder nur in geringem Umfang möglich ist, hierzu zählen beispielsweise Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit oder Beratungsstellen. Hier können die Eigenanteile im Grunde fast ausschließlich nur über die ehrenamtliche, also unentgeltliche Mitarbeit Engagierter als Eigenleistung „erarbeitet“ werden. Das Spendenaufkommen ist starken Schwankungen unterworfen, die gegenwärtige Corona-Pandemie sorgt für einen nachvollziehbaren Rückgang der Spendenbereitschaft von Menschen und Unternehmen.

Wenn uns das Ehrenamt tatsächlich so wichtig ist, wie es in den Festreden zum seit 1986 begangenen „Internationen Tag des Ehrenamtes“ zu hören ist, dann bedarf es einer größeren Sensibilität in Politik und Verwaltung. Allein die ganz normale Entwicklung von Personal- und Sachkosten erfordert permanent umfangreichere Eigenleistungen, da die Eigenanteile in den Förderverfahren prozentual an die Gesamtkosten gekoppelt sind.

Ich selbst engagiere mich seit meiner Jugend intensiv ehrenamtlich im sozialen Bereich, ich tue dies gern und aus eigenem Antrieb. Über das Ehrenamt habe ich zum Beruf gefunden und doch das Ehrenamt nie aufgegeben. Mein Ehrenamt soll einer guten Sache dienen und anderen Menschen Unterstützung geben, jedoch möchte ich nicht als unbezahlter Erfüllungsgehilfe für die Lösung staatlicher Pflichtaufgaben herhalten.

Es ist Zeit umzudenken, dem Ehrenamt jene Wertschätzung zu geben, die es verdient, die Menschen (auch weiterhin) motiviert, sich freiwillig in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Das ehrenamtliche Engagement von Bürger*innen soll öffentliche (Pflicht)aufgaben unterstützen und begleiten, es muss auf freiwilliger Basis stattfinden können und nicht das Zünglein an der Waage sein, das darüber entscheidet, ob eine Kindertageseinrichtung, Jugendtreff oder Suchtberatungsstelle weiterhin existieren kann.

Carsten Schöne